Yoga

Yoga ist eine Jahrtausende alte Erfahrungslehre. Menschliches Leben wird darin als "achtgliedriger Pfad" beschrieben: Im spürenden Kontakt mit sich selbst geht es um die Erfahrung des eigenen Seins im Umgang mit dem 1. Körper, mit den 2. Sinnen, mit dem 3. Atem, mit sich 4. selbst, mit 5. anderen sowie um 6. Konzentration, 7. Meditation als Kultur des Bewusstseins und 8. Weisheit für ein erfülltes Leben. Grundlegend ist der Atem. Wer atmet, macht Yoga.

Atem

Der Atem übernimmt die Führung - ganz im Gegensatz zum alltäglichen Geschehen, bei dem sich der Atem den äußeren und inneren Umständen anpasst. Dieses Tun erfordert ungeteilte Aufmerksamkeit und bewusste Wahrnehmung. So verlieren die Gedanken ihre Macht über den Geist - er kommt zur Ruhe. Alles ist nur noch Atem, Bewegung und Bewusstsein. Wesentlich ist das Üben in angemessener Weise im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Es gibt nichts zu erreichen. Das begrenzende "Entweder-oder" weicht einem großmütigen "Sowohl-als-auch" voller Toleranz und Nachsicht mit sich selbst. Wer so akzeptierend und mitfühlend mit sich selbst umzugehen übt, beschenkt auch andere mit Sanftmut, Gelassenheit und Frieden.

 

Jedes Yoga-Asana beginnt und endet in der Ruhe und in der Stille des Atems. Sie erleben eine neue Dimension von Bewegung, nämlich Aktivität mit Effizienz und Gelassenheit im Wechsel mit Loslassen und Zulassen. Daraus ergeben sich neue Muster, die Veränderungen in Ihrem Alltag nach sich ziehen werden.

 

Atmung ist normalerweise die einzige physiologische Funktion, die sowohl

  • willkürlich aktiv (durch willentlich kontrollierbare quergestreifte Muskulatur beim bewussten Atmen, z.B. beim "tief durchatmen")

als auch

  • autonom (normalerweise nicht direkt kontrollierbare glatte Muskulatur der inneren Organe, d.h."es" atmet mich im Schlaf, bei Anstrengung, bei Emotionen, bei Gedanken entsprechend meinen Bedürfnissen ohne mein Zutun) 

beeinflusst wird.

 

Das Zwerchfell als wichtiger Atemmuskel ist mit beiden Muskelarten versehen und verbindet so Bewusstes und Unbewusstes. Dieses Wissen ist spannend und interessant, denn die Chance liegt darin, diese Brücke zwischen Willen und Emotionen bewusst zu nutzen, um Schmerzen, Verspannungen, Verhaltens- und Bewegungsmustern auf die Spur zu kommen und sie zu verwandeln. Sie erleben, wie es sich anfühlt Einfluss zu nehmen auf angeblich unabänderliche Phänomene. So entdecken Sie Neues, verändern Ihr Leben und finden Ihren eigenen Heilungsweg. 

 

Der Atem ist unser Anker. Was auch geschieht, er ist immer da, so lange wir leben. Das Leben beginnt mit einem Einatem und endet mit einem Ausatem. 

 

Asana-Praxis

Asana heißt Haltung. Gemeint ist sowohl die innere Einstellung als auch die äußere Form. Die Yoga-Asanas beginnen atemgeleitet als Bewegung aus der Stille der Atemleere bis in die Stille der der Atemfülle oder umgekehrt. Wenn eine Haltung erreicht ist, bleibt sie für eine Weile bestehen, während die Aufmerksamkeit beim Atem verweilt. Bewusstes Anspannen - bewusstes Loslassen. Aktivität und Ruhe. Kraft und Flexibilität. Wir brauchen beides - Einatem wie Ausatem. Tag und Nacht. Wachen und Schlafen. Das Leben ist ist scheinbar voller Gegensätze - doch bewusst betrachtet entpuppen sich Polaritäten als zwei Seiten der gleichen Medaille.

 

Yoga ist frei von Anforderungen, Leistungsgedanken und Aufgaben. Leid und Schmerz entstehen durch Haben-Wollen, Weg-haben-wollen und Wertungen. Ganz bewusst drehen wir die Sache herum und Sie erleben, wie diese Sicht auf die Dinge - wie sie wirklich sind - in eine gelassene Akzeptanz führen. Diese Entspannung führt zu Klarheit und öffnet die Wahrnehmung für das, was wir verändern können. So können Sie auf alle Aspekte Ihres Lebens Einfluss nehmen und neue Perspektiven entdecken. Wie von selbst schauen Sie hinter die Kulissen Ihrer Konstrukte, stellen sie in Frage und finden neue Antworten.

 

Yoga ist kein Sport. Die körperliche Fitness, also die (zunehmende) Befähigung ergibt sich aus dem Spüren, Bemerken und Beobachten des Atems. Der Einsatz von Energie ist wie bei einem Heilmittel von Ihnen selbst achtsam zu bemessen: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Für das rechte Maß vertrauen Sie auf die Weisheit Ihres Körpers. Sie bemerken was Ihnen gut tut, weil Sie lernen, Ihrem Körper Aufmerksamkeit zu schenken. So kommen Sie immer mehr in Kontakt mit sich selbst.

 

Bewusstseinskultur

Wir Menschen meinen, wir denken. Wir bilden uns allerhand auf unseren Verstand ein. Doch Achtung: Wie oft denkt es uns! Gedanken sausen umher vom Hölzchen aufs Stöckchen, von Ast zu Ast wie kleine wilde Äffchen - und immer weiter kreuz und quer - völlig beliebig. Das Denken gerät außer Kontrolle und beeinflusst bisweilen machtvoll die Befindlichkeit und die Stimmung. So sind wir Menschen. 

 

Beobachten Sie, wie Ihr Geist arbeitet. Wenn Ihnen das gelingt - und sei es auch nur drei Atemzüge lang - dann haben Sie bereits meditiert. Es geht darum, dieses Treiben der Gedanken zu bemerken und ihnen in tiefer, ruhiger Gelassenheit mit liebevoller Nachsicht Einhalt zu gebieten, indem Sie sie bewusst loslassen und Ihren Fokus immer wieder auf Ihren Atem richten. Immer wieder.

 

Der Satz "Glauben Sie nicht alles, was Sie denken!" kann Ihr Leben verändern, weil Ihnen klar wird, dass es da noch eine andere Instanz in Ihnen gibt, nämlich eine, die still beobachtet ohne zu urteilen. Meditation bedeutet, diese stille Betrachtung zu üben, unermüdlich und geduldig wie beim achtsamen Gießen einer kleinen Pflanze, damit sie wächst. Das ist die Kultur des Bewusstseins. Was Aufmerksamkeit bekommt, wächst. ALLES! 

Nichtstun und Nicht-Tun

Es ist leicht und schwer zugleich. Sowohl - als auch. Sie fragen vielleicht: "Wie, ich soll einfach nur dasitzen und nichts tun?" Sowohl Zweifel als auch Begeisterung zeigen, wie Sie mit schwierigen Situationen umgehen. Denn Nicht-Tun ist schwer - und überaus aufschlussreich! Es wird Ihnen dabei möglicherweise einiges begegnen, das wert ist, betrachtet zu werden, neugierig und von allen Seiten.

Alles ist willkommen.

 

Was sich da abspielt, sind Stimmen des inneren Orchesters. Sagen Sie innerlich: "Aha, du bist es - ich kümmere mich später um dich!" Nehmen Sie den Gedanken freundlich zur Kenntnis und lassen ihn dann los wie eine Wolke, die am Himmel vorüberzieht. Sie brauchen nicht zu befürchten, dass wichtige Dinge in Vergessenheit geraten, denn diese Denkimpulse haben die Eigenart, sich ständig und energisch in Erinnerung zu bringen.

 

Es geht um Entspannung durch Selbstregulation. Lassen Sie uns schauen, wie dieses Innehalten in Ihrem Leben einen guten Platz findet, welches Ihnen vor allem in schwierigen Situationen Gelassenheit schenkt.

 

Traumasensibles Yoga und Trauma-Yoga-Therapie

Das Leben ist ein Fluss. Als Musiktherapeutin komme ich mit traumatisierten Menschen zusammen, die bestimmte Yoga-Haltungen nicht tolerieren würden, weil sie davon getriggert werden. Bei einem Yoga-Wochenende erkundigte ich mich nach traumasensiblem Yoga. So entwickelt sich aus meiner Freizeitbeschäftigung ein weiteres Feld: Yoga-Therapie. 

 

Traumasensibles Yoga ist besonders einfühlsam und psychotherapeutisch wirksam, weil auf Traumaspuren im Körper nicht nur irgendwie Rücksicht genommen wird, sondern diese Körpersignale als individuelle Informationsquelle wertschätzend in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken dürfen. Sie werden quasi neugierig umkreist, befragt und nach ihren Grenzen ertastet. So können sie erspürt, erkannt und erlöst werden.

 

Traumatisierende Erfahrungen sind mit Emotionen wie Angst, Abscheu, Wut und Trauer verbunden. Auch die sozialen Emotionen Scham und Schuld spielen oft eine Rolle. Mal reagiert der Körper wie taub und gefühllos, mal zeigen sich die Gefühle als körperliche Empfindungen bis hin zum Schmerz. Alles das ist von Bedeutung. 

 

Fasziniert beobachte ich, wie an dieser Stelle die körpertherapeutischen Ansätze von Yoga und IFS zusammenfließen. Das betrachtende Bewusstsein in der Meditation ist die gleiche heilende Instanz wie das Selbst in der Systemischen Therapie der inneren Familie IFS. Es ist in der Lage, in gleichmütiger Ruhe und Gelassenheit Licht in das Dunkel vergangener Erlebnisse zu bringen und den Stress aufzulösen. Jeder Mensch trägt dieses innere Licht in sich, wie verhüllt und verschattet es auch zu sein scheint. Diese Ansätze führe ich in der Therapie zusammen.

 

Als Trauma-Yoga-Therapeutin biete ich Kurse und Einzelarbeit an. Die meditative Selbst-Begegnung kann durch Klang unterstützt werden. Atem, Bewegung und Bewusst-Sein treten bewusst in Verbindung. So kristallisieren sich Klarheit, Selbst-Mit-Gefühl und Verbundenheit als wesentliche Eigenschaften des inneren Wesenskerns heraus, der dann wie von selbst die Heilung in Gang setzt. 

 

Wie sich die Verbindung von Körper, Seele und Geist aus neurologischer Sicht darstellt, lesen Sie in diesem Artikel über den Vagus-Nerv aus Gesundheits-Nachrichten April 2020

 

 

 

GN_04_2020_Vagus.pdf
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© Katrin Stüven